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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 10 U 644/03
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 I b)
Zu den Beweiserleichterungen beim Nachweis des "äußeren Bildes" eines Diebstahls in der Teilkaskoversicherung und zu den Anforderungen der Erschütterungen dieser Beweiserleichterungen durch Indizienvortrag, dass mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem nur vorgetäuschten Diebstahl auszugehen ist (im Anschluss an BGHZ 130, 1, 3 = NJW 1995, 2169; BGH NJW-RR 1999, 246; Senatsurteile vom 1. Oktober 1999 - 10 U 1846/97 - OLGR 2000, 455, vom 19. März 1999 - 10 U 1646/97 - r+s 2000, 276, vom 21. September 2001- 10 U 1669/00 - r+s 2002, 319; Urteil vom 30. August 2002 - 10 U 1415/01 - r+s 2002, 448 = OLGR 2003, 29 = VersR 2003, 589).
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Hinweisbeschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

Geschäftsnummer: 10 U 644/03

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger am 29. April 2004 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 17. Juni 2004.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus Teilkaskoversicherung wegen Reparatur- und Ersatzteilkosten in Anspruch, die durch die Entwendung von Teilen des Fahrzeuges entstanden sein sollen.

Der Kläger hat vorgetragen,

er sei am Freitag, den 12.10.2001 als Busfahrer zu einer beruflichen Fahrt nach Spanien aufgebrochen. Seinen Pkw habe er zur hinteren Kante der Hauswand in der Hofeinfahrt des Anwesens Naheweinstraße 21 in Bad M. abgestellt. Bei seiner Rückkehr am Morgen des 14.10.2001 sei dann von ihm festgestellt worden, dass die Heckklappe, das Reserverad, die Sitze und weitere Teile der Inneneinrichtung fehlten. Der Schaden, den er zwischenzeitlich selbst behoben habe, betrage nach dem von ihm vorgerichtlich eingeholten Gutachten 9.358,27 Euro.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.358,27 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 24.12.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Darstellung des Klägers bestritten. Sie hält die Entwendung für vorgetäuscht und verweist darauf, dass der Kläger nicht die Kosten der Wiederherstellung auf Gutachtenbasis verlangen könne, da er den Nachweis einer vollständigen Reparatur in einer Fachwerkstatt nicht erbracht habe.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch aus der Teilkaskoversicherung gemäß § 12 Nr. 1 I b AKB gegen die Beklagte zu.

1) Behauptet der Versicherungsnehmer, sein PKW sei gestohlen worden, genügt er seiner Beweislast zunächst mit dem Nachweis eines Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass die versicherte Sache in einer den Versicherungsbedingungen entsprechenden Weise entwendet wurde (BGH Urteil vom 27.4.1977 - IV ZR 79/76 - VersR 1977, 610 ; vom 19.5.1979 - IV ZR 78/77 - VersR 1978, 732 f.). Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer Anzeichen beweist, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines versicherten Diebstahls ergeben (BGH Urteil vom 3.7.1991 - IV ZR 220/90 - VersR 1991, 1047; vom 5.10.1983 - IV a ZR 19/82 - VersR 1984, 29; BGHZ 79, 54, 59 = VersR 81, 345, 346). Das für das äußere Bild eines Diebstahls erforderliche Mindestmaß an Tatsachen ist im Allgemeinen dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet (BGHZ 130,1, 3 = NJW 1995, 2169; BGH Urteil vom 4.11.1998 - IV ZR 302/97 - NJW-RR 1999, 246). Diese Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer entfällt, wenn der Versicherer seinerseits darlegt und gegebenenfalls beweist, dass nicht nur hinreichende Wahrscheinlichkeits- oder Verdachtsmomente vorliegen, sondern eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen anderen Geschehensablauf besteht. Es müssen konkrete Tatsachen festgestellt werden, welche die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen, wobei ein Minus an Beweisanzeichen gegenüber dem üblichen Fall eines Indizienbeweises genügt, um das erforderliche Beweismaß zu erreichen (BGH Urteil vom 12.4.1989 - IV a ZR 83/88 - VersR 1989, 587; OLG Hamm Urteil vom 20.3.1992 - 20 U 289/91 - VersR 1993, 218, 219; Senatsurteile vom 1. Oktober 1999 - 10 U 1846/97 - OLGR 2000, 455; vom 21.9.2001 - 10 U 1669/00 - OLGR 2002, 6; vom 30. August 2002 - 10 U 1415/01 - r+s 2002, 448 = OLGR 2003, 29 = VersR 2003, 589).

a) Der Kläger hat nicht das Mindestmaß an Tatsachen für das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darlegen können. Das Landgericht hat zu Recht die Mindestanforderungen an das Beweismaß als nicht erfüllt angesehen. Für den Senat ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen können (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe das Fahrzeug am Freitagmorgen direkt neben dem Haus Naheweinstraße 21 in Bad M. abgestellt. Das Fahrzeug habe mit dem Kühler, d.h. mit der Front, in Richtung der Bahngleise gestanden, nicht dort, wo der Sachverständige es später fotografiert habe. Der Stand sei bereits beim Eintreffen der Polizei später verändert gewesen (GA 174). Demgegenüber hat die damalige Freundin des Klägers, die Zeugin W., vor dem Landgericht bekundet, als sie am Freitagmorgen des 12.10.2001 um 8.30 Uhr das Haus verlassen habe, habe der PKW des Klägers hinten im Hof mit dem Heck zur Nahe (Bahnstrecke) gestanden. Für die Richtigkeit der Angaben der Zeugin W. spricht, dass sie andernfalls angesichts der engen Einfahrt neben dem Haus mit ihrem PKW das Grundstück nicht hätte verlassen können. Der Kläger hat hierzu erstinstanzlich nicht vorgetragen, dass er den Standort des Fahrzeugs zwischen 8.30 Uhr und 10.30 Uhr, dem Zeitpunkt des Eintreffens der Zeugin H., verändert habe. Zwar hat die Zeugin H. in der Beweisaufnahme bekundet, dass das Fahrzeug sowohl am Freitagmorgen, den 12.10.2001, als auch nach der Rückkehr aus Spanien am Sonntagmorgen in der Einfahrt direkt neben dem Haus gestanden habe, diese Aussage lässt sich aber nicht mit den Bekundungen des Zeugen He. in Einklang bringen, wonach dieser am Samstag, den 13.10.2001, sich zu dem Anwesen begeben habe, um dort Gegenstände vom Dachboden des Hauses seiner Stieftochter, der Zeugin W., zu holen. Der Zeuge bekundete, dass er zwar nicht mit Sicherheit sagen könne, ob und wie der PKW des Klägers am 13.10.2001 dort gestanden habe. Er könne jedenfalls nicht in der Einfahrt gestanden haben, da er ansonsten mit seinem eigenen PKW nach hinten in den Hofbereich nicht hätte hineinfahren können.

Soweit der Kläger jetzt im Berufungsverfahren vorträgt (GA 230), er sei, nachdem die Zeugin W. das Anwesen um 8.30 Uhr verlassen habe, nochmals mit dem PKW unterwegs gewesen, um Gegenstände für die Spanienfahrt zu kaufen, und habe später den PKW in die Einfahrt gestellt, ist dieser Vortrag neu und lässt sich jedenfalls weiterhin nicht mit den Bekundungen des Zeugen He. in Einklang bringen, dass am Samstag, den 13.10.2001, kein PKW des Klägers in der Einfahrt gestanden habe. Der Kläger ist im Übrigen mit dem diesbezüglichen Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, da er ohne Nachlässigkeit auf diesen Gesichtspunkt bereits in erster Instanz hätte eingehen können, zumal der Kläger in der Beweisaufnahme vom 19.3.2003 persönlich angehört wurde.

b) Der Senat hat ebenfalls keine Bedenken, die Richtigkeit der Bekundungen der Zeugen W. und He. diesbezüglich anzuzweifeln. Vieles spricht dafür, dass die Aussage der Zeugin H. hinsichtlich des Standortes des Fahrzeuges falsch war. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die Aussage der Zeugin H. nur dann teilweise richtig sein könne, wenn ein Dritter in der Zeit von Samstagabend, nach dem Verlassen des Anwesens durch den Zeugen He., bis zum Sonntagmorgen die Autoteile demontiert und den PKW mit dem Heck zur Straße in der Einfahrt platziert hätte. Dieser Dritte hätte dann im Besitz der Fahrzeugschlüssel und ein Komplize des Klägers sein müssen. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats nicht mit hineichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Diebstahls darlegen können.

2) Ungeachtet dessen hat die Beklagte jedenfalls ausreichend dargelegt, dass mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der Geschehensablauf sich anders zugetragen hat, als vom Kläger geschildert, und der Verdacht eines nur vorgetäuschten Diebstahls der Fahrzeugteile besteht.

a) Das Landgericht hat hierzu detailliert ausgeführt, dass die Angaben des Klägers zu den vermeintlich gestohlenen Autoteilen sehr widersprüchlich sind und seine Glaubwürdigkeit erschüttert ist. Der Kläger hat als Beleg für die Wiederbeschaffung eines Reserverades eine Rechnung der Firma W. Sch. GmbH vom 20.11.2001 (GA 186) über den Kauf eines ,,Komplettrad Stahlfelge 6 x 15 mit Reifen Pirelli 195/65-15 V" zum Preis von 264,-- DM vorgelegt. Nach dem Gutachten des Ingenieurbüro St. ist sein Fahrzeug aber mit (Leichtmetall-) Felgen der Größe 7 J x 16 (Preis 270,43 DM) und Reifen der Dimension 205/55 R 16 (Preis 335,-- DM) ausgestattet. Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch konnte der Kläger nicht abgegeben. Es spricht vieles dafür, dass der Kaufbeleg nicht das Ersatzrad des Opels Vectra betrifft. Die von der Berufung hiergegen angeführten Argumente (GA 228) sind nicht überzeugend.

Der Kläger hat ferner im Schriftsatz vom 23.07.2002 angegeben, die übrigen Ersatzteile (außer der Heckklappe) habe er bei einem Händler in Hannover gekauft. Nach den Belegen hat er aber das Komplettrad in Bad Kreuznach, die Sitzgarnitur (Rechnung GA 185) in B. beschafft. Auch hier ist der Vortrag der Berufung (GA 228) nicht geeignet, das Verdachtsmoment gegen den Kläger zu entkräften. Ebenso hat er in diesem Schriftsatz behauptet, die Zeugin W. sei damals im Besitz des Zweitschlüssels gewesen, was nach deren Aussage gerade nicht der Fall war.

Für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des Vortäuschens eines Diebstahls spricht schließlich, dass insbesondere Teile, wie Heckklappe und Sitze, fehlten, deren Demontage und Abtransport aufwendig ist, die aber bei Teileverwertern preisgünstig erworben werden können. Ungewöhnlich ist auch, dass der bzw. die vermeintlichen Täter, das hintere Kennzeichnen demontiert und am Ort zurückgelassen haben.

b) Schließlich ergeben sich weitere Widersprüche dazu, wann der Kläger das Fehlen der verschiedenen Autoteile bemerkt haben will. Nach den Bekundungen des Zeugen M. vor dem Landgericht hat der Kläger diesem gegenüber angegeben, er sei abends von einer Busfahrt zurückgekommen, habe dann noch mit dem Auto nach Bad K. fahren wollen, um dort ein Bierchen zu trinken, dabei habe er dann beim Öffnen der Fahrertür festgestellt, dass die Entwendung der Innenteile stattgefunden habe. Der Kläger habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass der Standort des Pkw zwischenzeitlich verändert worden sei, vielmehr habe man gemeinsam das Gelände zur Bahnstrecke hin abgesucht. Der Kläger hat demgegenüber aber im Prozess vorgetragen, er habe den Diebstahl morgens bemerkt. Auch lassen sich die Angaben des Klägers mit den Bekundungen der Zeugin H. nicht in Einklang bringen, wonach der PKW in der Einfahrt mit der Beifahrertür unmittelbar an der Hauswand, also mit dem Heck zur Straße, gestanden haben soll, die Zeugin ebenso wie der Kläger das Fehlen der Heckklappe schon beim Einbiegen mit ihrem PKW in die Einfahrt am Sonntagmorgen bemerkt haben will. Hätte der Kläger das Fehlen der Teile erst beim Öffnen der Tür entdeckt, stünde dies im Widerspruch zu seinem Vortrag und dem der Zeugin H., der PKW habe in der Einfahrt gestanden und man habe sofort nach der Rückkehr das Fehlen der Heckklappe bemerkt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden - wie die Berufung meint (GA229) - , dass sich der Zeuge M. hinsichtlich der ihm vom Kläger gemachten zeitlichen Angaben des Feststellens des Fehlens der Autoteile geirrt hat.

Das Landgericht stellt zu Recht darauf ab, dass der Vortrag des Klägers zu dem vermeintlichen Standort des PKW's in der Hofeinfahrt nur dann Sinn macht, wenn er einen Diebstahl vortäuschen will und er einen Zeugen benötigt, der bestätigen kann, dass das Fahrzeug am Freitagmorgen deutlich sichtbar im unversehrten Zustand in der Hofeinfahrt und nach Rückkehr aus Spanien in beschädigtem Zustand dort gestanden hat.

c) Schlussendlich ist ein weiteres erhebliches Indiz für die Vortäuschung eines Diebstahls die Tatsache, dass der Zeuge He. am 13.10.2001 auf dem Dachboden des Hauses 2 Vordersitze, eine Rücksitzbank, einen Reifen auf Felge und eine Heckklappe gesehen hat, die nach den Bekundungen der Zeugin W. kurz vor Weihnachten verschwunden waren. Auch wenn dem Zeugen He. eine konkrete Zuordnung der Autoteile zu dem Opel Vectra nicht möglich war, spricht doch nach aller Lebenserfahrung viel dafür, dass es sich dabei um die ausgebauten Autoteile aus dem PKW Opel Vectra handelte, zumal der Kläger generell abstreitet, dass sich wegen der Enge des Zugangs zum Dachboden dort Autoteile lagerten. Es kann sich demnach seinem eigenen Vortrag nach nicht um Autoteile gehandelt haben, die einem anderen PKW zuzuordnen waren.

Der Kläger hat trotz der ihm zugute kommenden Beweserleichterungen, den Beweis für den behaupteten Diebstahl der Autoteile nicht erbringen können.

Ende der Entscheidung

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